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Revision des Erbrechts: ein neues Erbrecht für die Schweiz
2023 tritt das revidierte Erbrecht in Kraft. Damit soll das Erbrecht an neue gesellschaftliche Realitäten, wie etwa Konkubinatspaare und Patchworkfamilien angepasst werden und die Verfügungsfreiheit vergrössert werden. So wird z.B. der Pflichtteil der Kinder von bisher 3/4 des gesetzlichen Erbteils auf neu 1/2 verkleinert. Auch entfällt das Pflichtteilsrecht der Eltern ganz. Der Pflichtteil des Ehegatten und des eingetragenen Partners bleibt hingegen unverändert bei 1/2 des gesetzlichen Erbteils.
Problematisch ist, dass das der Gesetzgeber kein spezielles Übergangsrecht erlassen hat. Dies führt nun dazu, dass das neue Erbrecht gilt, sobald der Erblasser nach dem 31. Dezember 2022 verstirbt. Auch für Testamente und Erbverträge, die vor 2023 verfügt wurden, gilt dann das neue Erbrecht, wenn der Erblasser erst nach 2022 verstirbt.
Dies kann zu Unklarheiten und Auslegungsproblemen führen: Setzt die verheiratete Mutter in ihrem Testament vom 4. Mai 2021 das gemeinsame Kind auf den Pflichtteil ohne die Quote ausdrücklich zu erwähnen und stirbt sie 2022, so erhält das Kind 3/8 des Nachlasses (nämlich 3/4 des gesetzlichen Erbteils von 1/2), der überlebende Ehegatte erhält somit 5/8. Stirbt die Mutter erst 2023 so erhält das Kind 1/4 des Nachlasses (1/2 des gesetzlichen Erbteils von 1/2), der überlebende Ehegatte damit 3/4.
Hat die Mutter in ihrem Testament jedoch festgehalten, dass sie ihr gemeinsames Kind auf den Pflichtteil von 3/8 setzt, so erhält das Kind 3/8, auch wenn die Mutter erst 2023 stirbt. Bei solchen Testamenten, die vor dem 1. Januar 2023 erlassen wurden, fragt es sich somit, ob diese Auslegung dem wirklichen Willen der Erblasserin entspricht oder nicht. Wollte sie wirklich, dass das Kind 3/8 erhält oder wollte sie, dass das Kind den Pflichtteil erhält, der bei ihrem Tod von Gesetzes wegen gilt?
Es empfiehlt sich daher dringend zu prüfen, ob die in einem Testament getroffene Regelung immer noch den ursprünglichen Absichten entspricht oder nicht.
Im ab 2023 geltenden Erbrecht wurde auch die Klage aus Erbvertrag bei lebzeitigen Zuwendungen neu geregelt. Heute gilt, dass zu Lebzeiten grundsätzlich frei über das Vermögen verfügt werden darf, auch wenn ein Erbvertrag abgeschlossen wurde. Haben z.B. die Ehegatten einen Erbvertrag abgeschlossen, so darf jeder grundsätzlich zu Lebzeiten frei über sein Vermögen verfügen und z.B. Dritten Schenkungen machen.
Ab 2023 gilt neu ein Verfügungsverbot, Schenkungen dürfen nur noch vorgenommen werden, wenn sich die Ehegatten dies im Erbvertrag ausdrücklich vorbehalten haben. Hält sich ein Erblasser nicht an das Verfügungsverbot, so können die Erben eine Schenkung später anfechten. Dieses grundsätzliche Verfügungsverbot gilt auch für jetzt bereits bestehende Erbverträge, wenn der Erblasser erst nach 2022 verstirbt. Die Erben können dann sogar Schenkungen anfechten, die bereits erfolgten.
Auch bei bestehenden Erbverträgen empfiehlt es sich somit zu prüfen, ob diese noch den Absichten der Parteien entsprechen und diese gegebenenfalls anzupassen und ausdrücklich zu erwähnen, ob und in welchem Umfang Schenkungen zulässig sind.